Ostatlantik, Mittelmeer, Schwarzes Meer – in diesen Gewässern ist Dicentrarchus labrax zu Hause. Der Europäische Wolfsbarsch zieht dort in einer Wassertiefe zwischen zehn und 100 Metern seine Kreise. Mut und Können gehören dazu, den beliebten Speisefisch im Binnenland aufzuziehen. Ein junges Start-up-Unternehmen hat dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt und setzt beim Bau seiner kompakten Aquakulturanlage auf Kunststoff von Röchling Industrial.
7.000 junge Wolfsbarsche, auch Loup de Mer genannt, schwimmen munter durch ein mannshohes Kunststoffbecken, das in drei ausgemusterten, recycelten und miteinander verbundenen Schiffscontainern untergebracht ist. Die Idee zu der kompakten Aquakulturanlage hatte das Start-up-Unternehmen Seawater Cubes. Die Kunststoffauskleidung der Becken lieferte Röchling Industrial.
Beim Seawater Cube handelt es sich um die erste kompakte, standardisierte und vollautomatisierte Fischzuchtanlage. Mit ihr können Salzwasserfische aufgezogen werden, fernab vom Meer. Ein geschlossenes Kreislaufsystem sorgt für höchste Wasserqualität, eine moderne LED-Beleuchtung für optimale Beleuchtung. Das Ergebnis ist eine artverträgliche, betriebssichere und standortunabhängige Zucht von Meeresfischen. „Die Idee entstand während unserer Forschungstätigkeit im Labor ‚Aquakultur’ der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlands“, berichtet Maschinenbauingenieur Christian Steinbach, der gemeinsam mit dem Elektroingenieur Kai Wagner und der Marketing- und Vertriebsspezialistin Carolin Ackermann zu den Gründern der Seawater Cubes GmbH gehört. Ihr Anspruch: Der Fisch soll unter bestmöglichen Lebensbedingungen und ressourcenschonend aufwachsen. Denn nur dann ist die Zucht stabil und nachhaltig.
Chemische Analytik, Strömungssimulation, Biotechnologie, Innovation, Controlling – das sind nur einige der Themen, die das Team beherrschen muss. Ackermann, Steinbach und Wagner eigneten sich in Schulungen und Coachings immer mehr Wissen an. Besonders zeitintensiv und anspruchsvoll seien die Entwicklung und der Bau des Wasserbeckens gewesen. Ursprünglich dachten die beiden Ingenieure bei diesem Herzstück der Anlage an den Einsatz von Stahl. Dann reifte die Erkenntnis, dass Kunststoff hier deutlich überlegen ist. Das fängt bei der Korrosionsbeständigkeit des Werkstoffs gegenüber Salzwasser an und hört beim deutlich leichteren Zuschnitt auf. Die Farbe Blau sei das i-Tüpfelchen, denn sie passe perfekt zum Seawater Cube – auch für die Marketingaktivitäten ein echter Pluspunkt.
„Nachdem wir uns über die Möglichkeiten von Kunststoff informiert hatten, sind wir schnell auf Röchling aufmerksam geworden“, berichtet Wagner. Und weil Röchling in Sachen Behälterbau und Fischzucht auf großes Know-how verweisen kann, kamen beide Seiten schnell zusammen. „Röchling hat verstanden, was wir brauchten.“, berichtet Steinbach.
Die Becken inklusive Umrandung werden aus Polystone® G blau gefertigt, einem Polyethylen hoher Dichte. Es verfügt über eine hohe Reinheit und Korrosionsbeständigkeit, wird weltweit im Behälterbau eingesetzt und ist für den Kontakt mit Lebensmitteln zugelassen – aus dem Werkstoff migriert nichts in die Umgebung. In den Filteranlagen kommt Polystone® P zum Einsatz. Das PP-Material hat eine hohe Festigkeit und ist unter anderem gegen Kalk beständig, der eingesetzt wird, um den pH-Wert im Wasser stabil zu halten.
Kontakte mit potenziellen Kunden sind geknüpft. Zu ihnen gehören in erster Linie Landwirte, die sich breiter aufstellen wollen. Für sie ist der Umgang mit Tieren nichts Neues, sie kennen die Verantwortung und wissen, was es heißt, 365 Tage im Jahr rund um die Uhr verfügbar zu sein – auch wenn die Automatisierungslösungen im Seawater Cube fast die ganze Arbeit übernehmen. Denkbar sei auch eine Vermarktung an den Lebensmitteleinzelhandel oder die Gastronomie.
Die Aquakulturanlage ist in drei miteinander verbundenen Schiffscontainern untergebracht und dadurch von der äußeren Umwelt entkoppelt. Wetter, Mikroplastik, Schwermetalle, Abfallstoffe oder Krankheitserreger sind beim Seawater Cube daher kein Thema. Eine Hygieneschranke erhöht die Sicherheit der Produktion zusätzlich. Auf einer Stellfläche von 100 Quadratmetern können so jährlich bis zu sieben Tonnen Meeresfisch produziert werden.
Der Seawater Cube funktioniert als geschlossenes Kreislaufsystem: Das Wasser – mit Salz versetztes Trinkwasser in Ozeanqualität – wird kontinuierlich im Kreis geführt und dabei mit modernster Filtertechnik gereinigt. Die Gründer haben mehrere Filterkomponenten zum Patent angemeldet und sie mit bewährten Einzelkomponenten der Aquakulturtechnik gekoppelt. Die Hauptherausforderung besteht darin, für ein perfektes Zusammenspiel aller Filter zu sorgen, damit das Wasser den hohen Anforderungen entspricht, die die Fischzucht stellt. Auch auf die Lichtbedingungen in ihrer natürlichen Umwelt und auf den Tag-Nachtrhythmus der Tiere stellt sich die Anlage automatisch ein. Mit künstlicher LED-Beleuchtung werden Sonnenaufgang und Sonnenuntergang simuliert.
Der Prototyp ist neben Wolfsbarschen auch für die Aufzucht von Doraden geeignet. Weitere Fischarten wie Kingfish und Black-Tiger-Garnelen sollen folgen. Als maximale Besatzdichte einer Aquakultur von Wolfsbarsch und Dorade sind in der EU 100 Kilogramm Fisch pro Kubikmeter Wasser gängig – der Seawater Cube ist nach den Vorgaben des Start-up-Teams auf maximal 65 Kilogramm ausgelegt, um eine nachhaltige und tiergerechte Aufzucht zu gewährleisten. Die Fische werden als circa zwei Monate alter „Jungbesatz“ bei einem Züchter gekauft und in den ersten Teil des Beckens gesetzt. Dort bleiben die Fische vier Monate lang, werden biologisch gefüttert und wachsen ohne den Einsatz von Medikamenten auf. Wenn sie jeweils ein Gewicht von etwa 50 Gramm erreicht haben, werden die Fische mithilfe eines Netzes behutsam ins zweite Becken weitergeschoben. Dort wachsen sie weitere vier Monate auf 150 Gramm an. Bis zur Marktreife dauert es dann noch einmal vier Monate. Die Fische wiegen nun 350 bis 400 Gramm. Im dritten Becken werden sie mit einem Kescher aus dem Wasser geholt, betäubt, geschlachtet und dann frisch auf Eis verkauft.
Dank der Automatisierungslösung beläuft sich der Arbeitsaufwand für den Betreiber auf durchschnittlich 1,5 Stunden pro Tag. Die Anlage ist in die firmeneigene Cloud der Seawater Cube GmbH eingebunden. Prozess- und Produktionsdaten stehen somit ständig und in Echtzeit zur Verfügung. Denn das gehört auch zur Idee des Start-ups: Der Kunde erhält alles aus einer Hand. Das fängt bei der Lieferung und Inbetriebnahme der Anlage an, geht über die Lieferung der Setzlinge und des Futters bis hin zur Fernüberwachung und Unterstützung bei Marketing- und Vertriebsthemen.