Dr. Axel Höfter ist seit dem 1. April 2018 General Manager Corporate R&D. Im Interview spricht er über die Aufgaben der Corporate R&D, was sich bei der Entwicklung von Innovationen bei Röchling Industrial ändern wird, welche Rolle Megatrends spielen und warum manche Unternehmen künftig vom Markt verschwinden werden.
Röchling Industrial will das Thema R&D stärken. Sie sind seit dem 1. April 2018 als General Manager der Corporate R&D verantwortlich. Was bedeutet das?
Dr. Axel Höfter: Corporate R&D ist die zentrale Entwicklungsabteilung, die standort- und Business Unit-übergreifend alle R&D Aktivitäten bündelt, koordiniert, die Effizienz steigern soll und übergeordnete Entwicklungsthemen aufnimmt, festlegt und verfolgt.
Wie fand bisher bei Röchling Industrial Entwicklung und Innovation statt?
Im Grunde haben alle Industrial Standorte, aber insbesondere die Standorte, die akquiriert wurden, ihre eigene R&D Abteilung. Das ist auch strategisch so gewollt, den dezentralen Einheiten ihre Eigenständigkeit und hohe Flexibilität zu bewahren, da sie über die besten Kenntnisse ihrer Kunden, Produkte und Märkte verfügen.
Was soll sich dann ändern?
Der Unternehmensbereich Röchling Industrial hat inzwischen mehr als 40 Standorte. Das erfordert, dass wir die Aktivitäten zwischen den Standorten koordinieren – allein schon um redundante Entwicklungsaktivitäten zu vermeiden. Außerdem geht es darum, das vorhandene Know-how zu erfassen und für das Unternehmen zugänglich und möglichst nachhaltig nutzbar zu machen.
Ist dann die Koordination die einzige Aufgabe der Corporate R&D?
Nein, das ist nur ein Teil ihrer Aufgaben. Wir haben natürlich in erster Linie die Aufgabe, uns um übergeordnete Entwicklungsthemen zu kümmern. Mir erscheint es besonders wichtig, dass wir uns mit Trendthemen und sogenannten Megatrends, wie der wachsenden Weltbevölkerung, Urbanisierung, Ernährung etc. befassen und daraus für Röchling Industrial strategisch relevante Themen ableiten und Anwendungen für bestehende oder neue Werkstoffe und Produktideen finden. Bei neuen Trends und Entwicklungen in den für uns relevanten Industrien, wie zum Beispiel der additiven Fertigung (3D-Druck) oder Leichtbau, Sensorintegration, Industrie 4.0, müssen wir diese Themen strukturiert erfassen und daraus mit modernen Methoden Innovationsideen ableiten. Darüber hinaus wollen wir als Schnittstelle mit den Entwicklungs- und Innovationsverantwortlichen der anderen Unternehmensbereiche der Röchling-Gruppe – Automotive und Medical – die Zusammenarbeit verbessern und Synergien heben.
Bei Röchling Industrial wurde Innovation immer schon ganz großgeschrieben. Wie hat Innovation bisher stattgefunden und was muss sich aus Ihrer Sicht ändern?
Wir hatten schon immer eine sehr hohe Kundenorientierung, die Röchling Industrial auch als Innovationstreiber in den Industrien ausgezeichnet hat. Wir hatten immer den Anspruch, unseren Kunden auf Augenhöhe zu begegnen und ihre Anwendungen im Detail zu verstehen und mit unserem Werkstoff- Know-how weiter zu verbessern. Das heißt, wir haben bestehende Werkstoffe auf die Anforderungen des Kunden angepasst oder neue Werkstoffe empfohlen oder entwickelt. Das allein reicht in der heutigen, schnelllebigen Zeit mit immer kürzeren Produktlebenszyklen nicht mehr aus, um unseren Kunden einen echten Wettbewerbsvorteil zu bieten und unserem eigenen Anspruch an die Technologieführerschaft gerecht zu werden.
Was heißt das konkret?
Bisher haben wir uns als Lieferant von Halbzeugen und Fertigteilen aus technischen Kunststoffen verstanden. Heute wollen wir weitergehen und uns vom Komponentenhersteller zu einem strategischen Partner für komplett einbaufertige Systeme entwickeln. Nur so können wir unsere Kunststoffe intelligent machen und ihnen neue Funktionen mitgeben. Sie können beispielsweise ihren Verschleißzustand oder ihre Betriebstemperaturen melden oder digitale Daten liefern, um logistische Prozesse bei den Kunden zu vereinfachen
Röchling baut ja in Haren ein neues Industrial Center, in dem maßgeblich die R&D Aktivitäten untergebracht werden sollen. Wie sieht die Abteilung dann aus?
Die R&D Aktivitäten sind naturgemäß sehr eng mit Teilen des Qualitätswesens, also der Qualitätssicherung und der Werkstoffprüfung verzahnt. Daher werden auch diese Bereiche in das neue Gebäude verlagert, um durch die räumliche Nähe die technologische Durchlässigkeit zu erhöhen. In der Abteilung R&D wurden bisher vier Ingenieure und Techniker zusammengefasst. Wir suchen gerade auch einen Konstrukteur für 3D-Druck und werden zukünftig weitere Spezialisten aus verschiedenen Disziplinen benötigen, um unseren eingeschlagenen Weg erfolgreich fortsetzen zu können. Wir dürfen aber nicht im Elfenbeinturm vor uns hinforschen, sondern benötigen einen engen Kontakt zu unseren Kunden in den Märkten. Dafür betreiben wir einen regelmäßigen und engen Austausch mit unseren Industriemanagern, die Experten in den Zielindustrien sind und die Fragestellungen der Kunden und die Trends kennen. Mit ihnen sind wir auch bei den Kunden vor Ort, um das Verständnis für die Bedürfnisse und Anwendungen zu verbessern und so Ideen für Innovationen ableiten zu können.
Warum ist Innovation für Röchling Industrial so wichtig?
Nur wenn wir innovativ sind und für die Kunden einen Mehrwert bieten, haben wir die Chance langfristig in den volatilen und umkämpften Märkten erfolgreich bestehen zu können. Unternehmen, die diesen Weg nicht gehen, werden auf absehbare Zeit vom Markt verschwinden oder nur noch als Commodity-Hersteller Standardprodukte zu niedrigsten Preisen und geringen Margen verkaufen. Wir bei Röchling dagegen wollen für unsere Kunden Innovationspartner sein.